Der Körper als Effekt von Sprache
Reinhard Braun

Die österreichische Künstlerin Maria Hahnenkamp thematisiert in ihren Arbeiten seit Ende der 1980er Jahre gesellschaftliche Zuschreibungen an den weiblichen Körper, seine kulturelle Zurichtung und die damit zusammenhängenden stereotypen Repertoires an Rollen, Ritualen, Gesten und vor allem Bilder dieses Körpers. Diese Zurichtung wird an immer wiederkehrenden Darstellungsformen des Weiblichen nachvollzogen und als eine Kritik am kulturellen Text formuliert, der den Körpern immer schon eingeschrieben ist. In den aktuellen Serien Text/Ornament und Cut Out (beide 2007) zeigt Hahnenkamp diesen Text buchstäblich den Körpern appliziert. Doch zuvor hat die Künstlerin in Arbeiten wie Geschmirgelte Fotoarbeiten (1991 – 1999) die Bilder selbst entfernt und Fotografien bis zur Trägerschicht abgeschmirgelt. Sie löscht dadurch die „Geschichte“ des Bildes aus und schafft gleichzeitig einen entleerten Bildraum für Projektionen. Hahnenkamp verweigert durch diese Geste die Bildproduktion selbst, handelt es sich doch bei den ausgelöschten Aufnahmen um Bilder eines weiblichen Modells beim Friseur, bei der Fuß- oder Haarpflege – wiederum stereotype Modelle des Weiblichen. Folgerichtig entscheidet sich die Künstlerin Mitte der 1990er Jahre, nicht mehr selbst zu fotografieren und somit als Autorin zu verschwinden. Hahnenkamp hat mit diesen Arbeiten den kritischen Konflikt in das Bild selbst verlagert. Es geht ihr nicht um Gegenbilder, um eine kritische Kommentierung einer Bildpolitik durch Gegenbilder, sondern darum, das Bild selbst zum Schauplatz von Auseinandersetzungen zu machen. Sie zeigt, dass die Bilder immer in einem kulturellen Netzwerk entstehen, das von Macht, Ausgrenzung und Repression gekennzeichnet ist. Sie zeigt auch, dass sich diese Netzwerke dem Bild einschreiben, weil die Bilder selbst als Kulturtechnik in die Konstruktion dieser Macht verstrickt sind.

Indem sie seit der Werkgruppe Körper-Diskurse (2005) Textfragmente von Judith Butler verwendet, einer der wichtigsten feministischen Theoretikerinnen der 1990er Jahre, zeigt sie den weiblichen Körper erneut als einen Effekt sprachlicher Prozesse, d. h. einer kulturellen Produktion. Durch das Überblenden mit Ornamenten, ein Motiv, mit dem Hahnenkamp seit den bestickten Fotos der 1990er Jahre nach religiösen Vorlagenbüchern arbeitet, unterstreicht die Künstlerin zusätzlich die Künstlichkeit dieser Bild-Sprachen über die Körper. Letztendlich zeigt sich in den Arbeiten von Hahnenkamp, dass ein Bild immer mehr ist als bloß eine visuelle Form.

Publiziert in „Photo Art, Fotografie im 21. Jahrhundert“, Hrg. Uta Grosenick, Thomas Seelig, Dumont Buchverlag, Köln, 2008

Reinhard Braun, geboren 1964 in Linz (AT); Studium der Kunstgeschichte an der Karl Franzens-Universität, Graz; lebt und arbeitet in Graz. 2007 bis 2010 Kurator für bildende Kunst des Festivals steirischer herbst. Seit 2011 künstlerischer Leiter von Camera Austria und Herausgeber der Zeitschrift Camera Austria International. Zu den aktuellsten kuratorischen Projekten zählen: “Once Documentary: Sven Augustijnen, Eric Baudelaire, Peggy Buth, Maryam Jafri” (2014), “The Militant Image: Picturing What Is Already Going On, Or The Poetics of the Militant Image” (2014), und “Disputed Landscape” (2015), alle für Camera Austria, Graz.