Eltern-Baby-Zentrum / Perinatalzentrum, 2010
Landeskrankenhaus Salzburg

Maria Hahnenkamp hat für das neu erbaute Perinatalzentrum (Schwarzenbacher Architektur ZT GmbH ) des Landeskrankenhauses Salzburg eine künstlerische Arbeit geschaffen, die den individuellen Erfahrungen von PatientInnen, BesucherInnen und medizinischem Personal einen sinnlichen wie begrifflichen Resonanzboden bieten möchte. Auf drei Geschoßen sind an jeweils einer Wand stark vergrößerte Ornamentlineaturen angebracht, die sich über eine Länge von etwa zwölf Metern erstrecken. Mittels Folienschablonen aufgemalt und mit Klebefolien angebracht wuchern die stilisierten Kletter- und Schlinggewächse vom Boden bis zur Decke und besetzen neben den Wandflächen auch die sie gliedernden Türstöcke, Türen, Armaturen und Schalter. Der architektonischen und funktionalen Ebene ist gleichsam eine ästhetische Ebene vorgelagert.

Nähert man sich den Wänden, wird sichtbar, dass in manche der gemalten oder geklebten Linien Textzeilen integriert sind, die den Schwüngen des pflanzlichen Ornaments folgen. Im Erdgeschoss, in der die Allgemeine Gynäkologie-Ambulanz untergebracht ist, wird beispielsweise die französische Psychoanalytikerin Luce Irigaray zitiert: »Was die Frau angeht, so ist sie der Ort. Muss sie sich in immer größere Orte einfügen?« In den beiden oberen Stockwerken, wo sich Tokolyse und Neonatologie befinden, gerät wiederum die frühkindliche Entwicklung sowie die Beziehung des Neugeborenen zu seiner Mutter in den Blick: »Wie die Muster eines Stoffes werden die frühkindlichen Erfahrungen aufgenommen und bleiben im Unbewussten lebendig, als ,Erfahrung im Gefühl‘.« (Gertraud Diem-Wille)

Die Textreferenzen auf die »Frau als Ort«, als Umschließung, deren Grenzen doch geöffnet bleiben, einerseits, und das Kleinkind als Wesen, dessen Empfindungen sich in hohem Maße über die Haut vermitteln, andererseits, stellen klare Bezüge zu den jeweiligen Funktionen der Stockwerke her. Darüber hinaus lassen sich die Zitate aber auch mit dem Ornament selbst in Beziehung setzen, das sich als »Ort im Ort« an die Wand schmiegt und eine Art Membran bildet – eine Grenze, die wie die Haut durchlässig ist. So wird das ornamentale Muster jedes Mal, wenn sich eine integrierte Tür öffnet, durchbrochen und verschränkt sich auf diese Weise mit den Abläufen, die den Alltag im Perinatalzentrum bestimmen.

Manuela Ammer

Manuela Ammer – ist Kuratorin am mumok Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien. Bis März 2014 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sonderforschungsbereich 626 „Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste" der Freien Universität Berlin, wo sie an einem Forschungsprojekt zum Subjektbegriff in der Minimal Art arbeitete. Sie hat Beiträge für Zeitschriften wie Frieze, Texte zur Kunst und Parkett verfasst sowie zahlreiche Katalogtexte zur zeitgenössischen Kunst.

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